Sperrmüll im Museum? Ein Straßenfund in der Fotosammlung.
Was für ein Fund! Ein besonderer Dank gilt einem engagierten Merseburger, der sich, wie wir erfuhren, auch historisch aktiv einbringt. Dank seines geschichtlichen Verständnisses hat er das "nach Wegwerfen aussehende" Fotoalbum 2024 nicht nur entdeckt, sondern es dem Verkehrsmuseum Dresden übergeben. Dadurch konnte dieses einzigartige Dokument der Ära des transkontinentalen Schiffsverkehrs auf den Weltmeeren der 1920er- und 1930er-Jahre bewahrt werden. Auf 36 großen Seiten (30 x 40 cm) sind schätzungsweise 400 originale Fotografien, Drucke und Zeitungsartikel vereint. Angefertigt hat das Album Franz, der Deck-Steward, wie es auf seiner Uniformmütze steht.
Beim Aufklappen des Buches war Überraschung und Respekt ein Erstes. Zum Vorschein kommen fantastische Fotografien von Ozeandampfern aus der Zeit von 1928 bis 1939, die ein lebhaftes Bordleben zeigen, das an die heutige Kreuzfahrtatmosphäre erinnert.
Plötzlich findet man sich in den Straßen des New York der 1930er Jahre oder vor dem Sognefjord, dem längsten und tiefsten Fjord Norwegens, wieder – beides Reiseziele der Schiffe des Norddeutschen Lloyd in den 1920er- und 1930er-Jahren.
Franz, der Deck-Steward, war auf diesen Reisen dabei, ebenso wie auf Fahrten nach Ostasien und Spitzbergen. Er hat all diese Erinnerungen in seinem Fotoalbum festgehalten und gesammelt.
Diese emotionalen Aspekte bei Funden mit historischen und privaten Einblicken sind ein faszinierender Teil des Umgangs mit Dokumenten – in diesem Fall 100 Jahre alte Originalfotografien.
Wunderbare Bordimpressionen sind im Album überliefert. Um diese einzufangen – von Interieur und Speisen bis hin zu Szenen rauer See, die einen erschaudern lassen und stimmungsvollen Abendansichten – engagierten die Reedereien Bordfotografen, die Fotografien von außergewöhnlicher Qualität lieferten. Für den Norddeutschen Lloyd war der Bordphotograf W. Kaune auf dem Dampfer „Stuttgart“ unterwegs. Sein Stempel auf der Rückseite einiger Fotografien ordnet ihm die Fotos zu, auch das Motiv der Käseplatte.
Der Deck-Steward Franz hat vor dem Krieg 1939 die Kellner Jacke ausgezogen – und wahrscheinlich danach nie wieder auf einem seiner Schiffe gearbeitet. Die „Stuttgart“ wurde 1939 zum Lazarettschiff umgebaut und ist 1943 gesunken.
Zwei Knöpfe – vermutlich von seiner Kellner Uniform – sind erhalten geblieben, eingestanzt in den Albumeinband.
Nach dem Krieg, in den späten 1960er Jahren, hat Franz – oder vielleicht schon ein Familienmitglied – die Faszination für Hochseereisen nicht losgelassen. Im Album finden sich zahlreiche eingeklebte Zeitungsartikel über das Schicksal verschiedener Schiffe sowie Anzeigen und Werbeprospekte für Kreuzfahrten. Ein Beispiel ist die Weihnachts- und Silvesterreise 1969 mit der Route „Italien – Spanien – Nordafrika“ zum Preis von 300 bis 920 DM, je nach Kabinenkategorie (von „WC außerhalb der Kabine“ bis „Appartement“).
Eine Postkarte mit Reisegrüßen von „…Ruth…“ ist 1979 eingefügt worden, adressiert an Familie Franz O. wohnhaft im Norden Deutschlands – BRD. Danach ist kein Zeichen seines weiteren Lebens mehr im Album zu finden.
Viele historische Informationen bleiben somit für unsere verkehrsgeschichtliche Dokumentation und museale Sammlung erhalten. Die Fotos zeigen Häfen, Schiffe, Deckseinrichtungen, ein Postflugzeug – ein Heinkel-Flugboot – für den schnellen Posttransport, das Leben an Bord, Katastrophen wie den Brand des Frachters „München“ im Jahr 1930, Bremerhaven, New York, Eisberge und raue See mit gewaltigen Wellen bei Windstärke 10 vom Schiff aus aufgenommen.
Was für Geschichten stecken hinter den Erwerbungen historischer Objekte! Ein herzlicher Dank gilt allen, die unsere Sammlungs- und Dokumentationstätigkeit als Museumsauftrag verstehen und uns dabei unterstützen.
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