Das Gespensterauto von Hellerau (1/3) - Anfänge der Elektromobilität

Foto Maria Niklaus

Maria Niklaus
Kustodin Straßenverkehr
Kustodin Luftfahrt

Noch bis 3. Juli 2023 zeigen wir im Verkehrsmuseum einen Trabant P601 L, Bj. 1988, den der Dresdner Chemiker Dr. Dieter Schulze zu einem Elektroauto umgebaut hat. Schon Ende der 1960er Jahre hatte er in einen Trabi einen Elektromotor eingebaut. Weil das Fahrzeug damit lautlos unterwegs war, wurde es das „Gespensterauto von Hellerau“ genannt. Dieses frühe Beispiel für individuelle Elektromobilität in der DDR nehme ich zum Anlass, einen genaueren Blick auf die frühe Elektromobilität im Allgemeinen und die Elektroautos des Dieter Schulzes im Besonderen zu werfen.

Daimler-Motorkutsche im Verkehrsmuseum Dresden, 1886, Replika, Leihgabe Merceds-Benz Museum, Stuttgart
Daimler-Motorkutsche im Verkehrsmuseum Dresden, 1886, Replika, Leihgabe Merceds-Benz Museum, Stuttgart

Die Anfänge der Elektromobilität

Was meint Ihr, wann gab es denn das erste elektrisch fahrende Auto?

Erste Elektroautos gab es tatsächlich schon kurz nach dem ersten Auto mit Verbrennungsmotor. Zwei Jahre (1886) nachdem Carl Benz seinen Patentmotorwagen und Gottlieb Daimler seine Motorkutsche gebaut hatten, fuhr 1888 das erste bekannte deutsche Elektroauto: der Flocken Elektrowagen der Maschinenfabrik A. Flocken in Coburg.

Benz-Patent-Motorwagen (1886, Replika, Leihgabe des Mercedes-Benz Museums, Stuttgart)
Benz-Patent-Motorwagen (1886, Replika, Leihgabe des Mercedes-Benz Museums, Stuttgart)
Detailaufnahme des Benz-Patent-Motorwagen (1886, Replika, Leihgabe des Mercedes-Benz Museums, Stuttgart)
Detailaufnahme des Benz-Patent-Motorwagen (1886, Replika, Leihgabe des Mercedes-Benz Museums, Stuttgart)
schwarz-weiß Aufnahme des Lohner-Porsche-Rennwagens, 1902
Lohner-Porsche-Rennwagen, 1902

Das bekannteste frühe Elektroauto im deutschsprachigen Raum ist vermutlich der sogenannte Lohner-Porsche  mit Radnabenmotor von 1899, der der Öffentlichkeit, während der Pariser Weltausstellung 1900 präsentiert wurde.

Dampfwagen Nr. 1 von Gustav Adolf Schöche steht in der Dauerausstellung Straßenverkehr im Verkehrsmuseum Dresden, Leihgabe des Deutschen Museums München
Dampfwagen Nr. 1 von Gustav Adolf Schöche steht in der Dauerausstellung Straßenverkehr im Verkehrsmuseum Dresden, Leihgabe des Deutschen Museums München

In dieser Zeit fuhren Dampfwagen, Elektroauto und Verbrennerfahrzeuge gemeinsam auf unseren Straßen. Dampfwägen  schieden allerdings schon früh aus, da die Bedienung und das Handling schwierig und aufwendig waren. Elektrische Fahrzeuge blieben in Deutschland bis in die 1910er Jahre, vor allem in der Stadt, sehr beliebt. Sie hatten zwar eine geringe Reichweite, waren aber leise, hatten keine Abgase und waren einfach zu bedienen. Sie verschwanden aber von unseren Straßen, als sich der Verbrennungsmotor durchsetzte, u.a. durch den Ausbau der Infrastruktur, aber vor allem auch durch die Erfindung des elektrischen Anlassers, der das gefährliche Ankurbeln ersetzte. Zum Teil blieben Elektroautos in Nischenanwendungsgebieten jedoch erhalten, beispielsweise die elektrische Flotte von Feuerwehrautos in Berlin oder auch elektrische Postfahrzeuge.

Baker Electric aus dem Jahr 1910
Baker Electric aus dem Jahr 1910 (© Igor Semechin)

Die Geschichte der frühen Mobilität mit Verbrenner, Elektromotor und Dampfwagen findet Ihr auch in unserer Dauerausstellung Straßenverkehr anhand spannender Exponate dargestellt.

Der blaue Elektro-Trabant im Lichthof des Verkehrsmuseums.
Der Elektro-Trabant im Lichthof des Verkehrsmuseums.

Elektromobilität in den 1970er Jahre: BRD – DDR und die erste Idee eines Elektro-Trabants 

Eine kleine und kurze Renaissance der Elektromobilität gab es nicht nur in der Bundesrepublik in den 1970er Jahren, sondern auch in der DDR. Im Westen belebte vor allem die Ölkrise und später auch die Umweltbewegung die Idee alternativer Antriebe wieder, z.T. auch bei Autokonzernen wie VW. Im Osten waren es „Einzelkämpfer“ und Enthusiasten wie der Dresdner Dr. Dieter Schulze (1934-2021), die an Elektro-Pkw arbeiteten. Dieter Schulze tat dies vor allem aus dem ökonomischen Grund, nicht nur schneller, sondern möglichst auch billiger als mit der Straßenbahn und dem Verbrennermotor zu seiner Arbeitsstätte pendeln wollte. Die erste Idee eines elektrisch angetriebenen Trabants entstand im Gespräch zwischen Dieter Schulze und seinem Schwiegervater, einem Elektrotechnik-Ingenieur aus Sachsen-Anhalt, im Ostseeurlaub auf einem Campingplatz bei Ückeritz Mitte der 1960er Jahre. Die Überlegungen zum technischen Konzept waren schnell auf das Papier gebracht, während die Umsetzung zu einer größeren Herausforderung wurde.


Für Details zur frühen Elektromobilität siehe u.a.: Mom, Gijs: „Das ,Scheitern‘ des frühen Elektromobils (1895- 1925). Versuch einer Neubewertung“. In: Technikgeschichte, Bd. 64, Nr.4, 1997, S. 269-285.

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Foto Maria Niklaus

Maria Niklaus

Ich bin seit September 2022 Kustodin für Luftfahrt und Straßenverkehr. Bevor ich das Team des Verkehrsmuseums Dresden verstärkte, war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Stuttgart tätig. Zu meinen Projekten zählten dort u.a. die Erforschung einer technischen Sammlung sowie diverse Lehrveranstaltungen und Ausstellungen. Ich habe Technikgeschichte und Maschinenbau in Stuttgart, Berlin und Toronto studiert. Wenn ich in meiner Freizeit nicht gerade an meiner Dissertation zu den Hintergründen von Kreiselinstrumenten in der Luft- und Raumfahrttechnik forsche, fliege ich am liebsten mit historischen Segelflugzeugen.

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