Made in China: Das Schiffsmodell einer Dschunke

Foto Dr. Thomas Eisentraut

Dr. Thomas Eisentraut
Abteilungsleiter
Sammlungen/Ausstellungen

Die Sammlung „Schifffahrt“ des Verkehrsmuseums Dresden verfügt über einige außereuropäische Schiffsmodelle. So wird etwa das Modell einer See-Dschunke in der Dauerausstellung präsentiert.

Ausgestelltes buntes Schiffsmodell einer See-Dschunke aus Amoy im Maßstab 1:50
Ausgestelltes Schiffsmodell einer See-Dschunke aus Amoy, Maßstab 1:50, gebaut um 1880 (VMD, Inv. Nr. III/96)

Viele der Besucherinnen und Besucher laufen an dem Modell vorbei, ohne dessen spezielle Bautechnik näher im Detail zu betrachten. Dieser Blog-Beitrag möchte das ändern und die verschiedenen Besonderheiten der Dschunke einzeln benennen. Am Beispiel des ausgestellten Schiffmodells erläutere ich fünf Besonderheiten ausführlicher, die die Einzigartigkeiten im frühen chinesischen Schiffbau sichtbar machen.

Schifftyp Dschunke?

Die Dschunke ist ein mehrmastiges Segelschiff, das seit mehr als 2.000 Jahren traditionell im ostasiatischen Gebiet – vorwiegend China – gebaut wird. Jede größere Hafenstadt baut dabei unterschiedliche Dschunken, die bereits während der Bauphase an die zu transportierenden Handelswaren angepasst wurden.

Neuzeitliche bunte Dschunke fahrend im Victoria Harbour
Neuzeitliche Dschunke, Victoria Harbour, 2016¹

Dschunken sind Handelsschiffe, werden aber auch für den Fischfang eingesetzt. Ihre Größe ist dabei von dem Gewässer abhängig, auf dem sie zum Einsatz kommen. So gibt es Fluss- und See-Dschunken, die sich z.B. dadurch unterscheiden, dass See-Dschunken mehr Heckaufbauten haben. Beide Typen zeichnen sich insbesondere durch ihre Stabilität, gute Wendigkeit und eine hohe Segelgeschwindigkeit aus. Die heute in Deutschland gebräuchliche Begriffsbezeichnung leitet sich vom englischen Wort „junk“ ab, welche wiederum auf das Portugiesische „junco“ zurückgeht.

Weißt Du eigentlich, welcher Europäer erstmals über die chinesischen Dschunken berichtete?

Die Aufzeichnungen des Venezianers Marco Polo (1254–1324) gelten als frühste europäische Beschreibung der chinesischen Dschunken.

Der kiellose Rumpf

Die Konstruktion der Dschunken erfolgt vorwiegend aus Holz, aber auch Bambus. Während im europäischen Schiffbau der Bau eines Schiffrumpfes von unten nach oben erfolgt, ist dies bei den Dschunken nicht der Fall. Stattdessen werden die Planken von oben nach unten in Klinkerbauweise angesetzt, der Schiffsboden ist relativ flach gehalten, es gibt keinen Kiel. Der Schiffsrumpf wirkt daher oft trog- oder kastenförmig.

Schwarzweißzeichnung einer Dschunke zur Zeit der Qing-Dynastie
Dschunke zur Zeit der Qing-Dynastie, 18. Jahrhundert²

Ein mittiges Heckruder

Die Dschunken verfügen seit dem 1. Jahrhundert nach Christus über ein mittig angebrachtes Heckruder. In Europa kamen solche Heckruder erst im Mittelalter, beispielsweise bei Koggen, zum Einsatz. Dies ist ein Beleg, dass der chinesische Schiffbau jener Zeit weiterentwickelt war als der europäische. Die Bedienung des Ruders erfolgte dabei zunächst noch über einen sogenannten Kolderstock, eine hölzerne Hebelkonstruktion.

Längs- und Querschotten

Bei den Schotten handelt es sich um durchgehende Zwischenwände, die in den Rumpf sowohl in Längs- als auch Querrichtung eingebracht sind. Ihre Aufgabe ist es, eindringendes Wasser – beispielsweise im Falle einer Havarie – aufzuhalten. Zugleich verhindern sie das Verrutschen der Ladung im Rumpf. Darüber hinaus tragen sie zur Erhöhung der Rumpfstabilität bei. Schotten in Dschunken sind bereits seit dem 2. Jahrhundert bekannt, in Europa wurden die Trennwände erstmals Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet.

Weißt Du eigentlich, wann erstmals eine in China gebaute Dschunke Europa erreichte?

Die erste asiatische Dschunke erreichte Europa auf dem Seeweg erstmals im Jahr 1848.
Die in China gebaute Dschunke KEYING verließ im Dezember 1846 den Hafen von Hongkong und erreichte im März 1848 England.

Bambussegel

Die großflächigen Segel der Dschunke wurden ursprünglich in Handarbeit aus Bambus- oder Reisstrohmatten hergestellt. Ihr hohes Gewicht machte die Bedienung schwer, zugleich hielt das Material oftmals nur für eine Segelsaison. Die Segel waren durch Bambusleisten in einzelne Segmente unterteilt, was das Reffen – das Verkleinern der Segelfläche – wesentlich leichter machte. Heute kommt bei Dschunken statt Bambus und Reisstroh auch Leinentuch zum Einsatz.

Die Bemalung

Während europäische Schiffe häufig eine einzelne Galionsfigur am Bug des Schiffes haben, zeichnen sich die chinesischen Schiffe durch ihre bunte Bemalung an allen Schiffsseiten aus. Die Ornamente und Farbgebung hing dabei eng mit den chinesischen Glaubensvorstellungen zusammen. Das ausgestellte Schiffsmodell verfügt zudem über zwei aufgemalte Augen im vorderen Bereich. In der Schifffahrt standen sie für die Abwehr von allem Bösen, zugleich sollten die Augen den richtigen Weg weisen und Untiefen und Riffe rechtzeitig erkennen.

Zur Geschichte des ausgestellten Modells

Das im Jahr 1880 gebaute Holzmodell ist im Maßstab 1:50 gehalten. Es handelt sich um eine chinesische See-Dschunke aus Amoy (heute: Xiamen), die die Schiffbautechnik des 16. Jahrhunderts zeigt. Seit 1981 befindet sich das Modell in der Sammlung des Verkehrsmuseum Dresden.


  1. Foto: Arne Müseler / www.arne-mueseler.com, CC BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons
    BY-SA 3.0 DE via Wikimedia Commons
  2. Urheber unbekannt - Tosen no Zu, Gemeinfrei via Wikimedia Commons

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Foto Dr. Thomas Eisentraut

Dr. Thomas Eisentraut

Ich habe Geschichte und Skandinavistik an den Universitäten Greifswald und Kiel studiert und war im Anschluss als Kurator und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Museum (Berlin) und dem Deutschen Museum (München) tätig. In meiner Freizeit fahre ich gerne Motorrad und liebe das Kochen und Backen.

1 Kommentar

Berthold Riese |

0 Antworten

Ihre Internetdarstellung ist sehr informativ und sachlich; wenn Sie noch genauere Informationen über Ihr chinesisches Schiffsmodell oder andere chinesische Verkehrsmittel haben, wäre ich Ihnen für Zusendung (gegen Rechnung) dankbar. Ich recherchiere zur zeit China-Bestände in deutschen Museen üfr ein forschngsprojekt der Sun Yat-SenUniversität in Kanton (China)

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