Making-Of: Ein neues Gesicht für die Mittagspausenführung (1/2)
Bis zum Frühling 2023 wurde die Mittagspausenführung des Verkehrsmuseums Dresden als historisches Hochrad unter einer Glosche serviert. Visuell ein ziemlicher Brocken für den 30-minütigen Wissens-Snack, um den es sich tatsächlich handelt. Aber die Idee, ein Fahrzeug oder Fahrzeugteil mit einem Element aus der Kulinarik zu verbinden, fand auch ich optimal und nahm sie mit in die Entwurfsphase. Meinen Fokus legte ich jedoch auf die bemerkenswerte Kompaktheit der Führung und suchte im Schnell-Imbiss nach Alternativen zu dem opulenten Gang.
Ich belegte Burger mit Autoreifen, setzte das Verkehrsmuseum in eine Assiette, füllte einen Kaugummiautomaten mit Austellungsobjekten und fütterte ein Monster mit verkehrstechnischem Sushi. Daneben, drunter und drüber platzierte ich meine typografische Lösung für die Informationen, die im Motiv auch noch ihren Platz finden mussten. Viele der Ideen brachten die Mittagspausenführung ganz wunderbar auf den Punkt – und dennoch waren die wenigsten der größten Herausforderung des Projekts gewachsen: das Motiv muss sich auf gleich zwei Handvoll weitere Formate adaptieren lassen, ohne dabei an Wirkung zu verlieren.
All meine Ideen waren bis zu diesem Zeitpunkt für das Plakat ausgelegt, DIN A2 hoch. Darauf funktionierten sie gut. Der Banner an der Treppe des Verkehrsmuseums ist jedoch ein flaches Querformat und die Beiträge auf Instagram sind quadratisch. Undurchdacht das ganze Bild umsortieren oder es gar einfach nur zuschneiden ist ausgeschlossen. Ein Bild, völlig egal, ob es sich dabei um eine Illustration, Plakatgestaltung oder Fotografie handelt, ist wie das Konzert eines Orchesters. Es ist das Ergebnis einer ausgeklügelten Komposition. Das heißt, das Zusammenspiel zwischen Format, den Formen im Motiv, deren Farbe, Platzierung, Größe und dem Weglassen von Elementen wird in zahllosen Varianten so lange erprobt, bis das Optimum schließlich erreicht ist. Dann erscheint das Bild stimmig. Doch die kleinste Veränderung kann schon ausreichen, um das ganze Bild in seiner Wirkung zu wandeln.
So erging es auch dem Sushi-Monster. Aber eines nach dem anderen. Nachdem Burger, Assiette und Co. ausgeschieden waren, gewann also das „Glühbirnen-Sushi im Reifenmantel“ verschlingende Monster die Herzen des Marketing-Teams. Und auch den Eignungstest über die benötigte Flexibilität für die bevorstehenden Formatadaptionen bestand mein körperloser Freund durch seine Einfachheit mit Bravour. Das Motiv war durch und durch gelungen, es hatte alles, was es braucht, um Neugierige mit einem Schmunzeln im Gesicht ins Museum zu ziehen. Doch dann wurde die Glühbirne plötzlich gestrichen. An ihre Stelle sollte eine gewöhnliche Sushi-Füllung treten. Während im Motiv das Licht ausging, gingen bei mir alle Warnlampen an.
Durch die ohnehin schon sehr wenigen Elemente, die das Sushi-Monster auszeichnet, war der Verlust visuell enorm. Es verschwand nicht nur das zentrale Bildelement, sondern auch eine ganze Erzählebene und Farbe komplett aus dem Motiv. Die freundlich leuchtende Glühbirne in der Mitte des Sushis trug schließlich die Kernbotschaft: Sättigung durch Wissen. Und nicht nur das, sie war auch für den Blick des Betrachters das leitende Elemente.
Bewaffnet mit einer kleinen Skizze zog ich für meine Glühbirne in die Verteidigung und erklärte dem Marketing-Team, was diese Korrektur für unser Motiv bedeutet.
Die Glühbirne ragt mit ihrer länglichen Form leicht über den Rand des Sushis hinaus, unterbricht dort die runde Silhouette und öffnet sie dadurch nach vorn. Darüber wird der Blick des Betrachters durch das übrige Bild und zu den Informationen, die er braucht, geleitet.
Ohne die Glühbirne bleibt die Silhouette jedoch geschlossen. Die runde Form wiederholt sich zum Zentrum hin – Mantel, Reis, Füllung – und wirkt dadurch wie ein Strudel, der den Blick wieder und wieder in die Mitte des Sushis ablenkt. Verstärkt wird dieser Effekt zusätzlich durch die Blickrichtung des Monsters und die Platzierung nach goldenem Schnitt. Ein Mittel, was ich bewusst nutzte, um den Blick genau dahin zu lenken – nur war hier nun nichts wichtiges mehr zu finden. Das verwirrt den Betrachter im ersten Moment und langweilt ihn im nächsten. Schließlich ist er es gewohnt, dass die Füllung des Sushis ihm verrät, was ihn erwartet.
Da kein Weg zurück zur Glühbirne führte, überlegte ich, mit welchem anderen Mittel ich diesem Spuk ein Enden bereiten konnte und entschied mich für das naheliegendste: aus den Augen aus dem Sinn. Ich setzte dem Sushi einen Deckel in Form einer Felge auf und gestaltete sie so, dass sie den Blick des Betrachters unter keinen Umständen gefangen nimmt. Das funktionierte nicht nur ausgesprochen gut, sondern überzeugte mich selbst und zum Glück auch das Marketingteam auf Anhieb.
Was diese Lösung jedoch immer noch nicht schaffte, war die verloren gegangene Farbe und Räumlichkeit wieder zurück ins Bild zu bringen. Das Motiv war unangenehm flach geworden. Texturen, Lichtreflexe und Schatten, die ich in einem früheren Stadium bewusst weggelassen hatte, erschienen jetzt unbedingt notwendig. Gleichzeitig durften diese Details aber nicht zu realistisch wirken. Das hätte zur Folge gehabt, dass Monster und Sushi augenscheinlich aus zwei Welten entstammten. Deshalb nutzt ich grobe, cartoonartige Texturen sowie harte Schatten und Lichtreflexen. Das verlieh dem gesamten Motiv wieder Charakter und ließ die Glühbirne kaum noch vermissen.
Wie ich das Sushi-Monster zum Leben erweckt habe erfahrt ihr im zweiten Beitrag.
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